Innovative Ansätze zur Bekämpfung von Pflanzenschädlingen
Von Redaktion

Die Apfeltriebsucht, auch als Besenwuchs bekannt, ist seit zwei Jahrzehnten eine der problematischsten Krankheiten im Südtiroler Apfelanbau. Verursacht wird sie von Phytoplasmen, also zellwandlosen Bakterien. Eine wichtige Rolle bei der Übertragung spielen Pflanzensaft saugende Insekten, vor allem Blattflöhe (Psylliden). Saugen diese Insekten an befallenen Pflanzen, können Phytoplasmen aufgenommen werden, die sich im Insekt replizieren und dann auf gesunde Pflanze übertragen werden. Im Projekt VectoRise, einem Joint Project der Freien Universität Bozen, des Luxembourg Institute of Science and Technology sowie des deutschen Agrarforschungsinstituts RLP AgroScience, wird dieser Übertragungsmechanismus beim Weißdornblattsauger, einer in Südtirol weit verbreiteten Blattflohart, genauer untersucht.
„Diese Insektenart spielt beispielweise in Deutschland bei der Ausbreitung von Phytoplasmen keine Rolle. In einer früheren Untersuchung konnten wir jedoch zeigen, dass Weißdornblattsauger in Südtirol sehr wohl imstande sind, Phytoplasmen aufzunehmen und wahrscheinlich auch auf gesunde Pflanzen zu übertragen“, sagt Hannes Schuler, Professor für Agrar- und Forstentomologie an der Fakultät für Agrar-, Umwelt- und Lebensmittelwissenschaften. „Je besser wir verstehen, welche Faktoren zu diesen regionalen Unterschieden der sogenannten Vektoreneffizienz beitragen, desto besser können wir Alternativen zur bisherigen Prävention – der Behandlung der Insekten mit Insektiziden – bieten“, so Schuler. Das Forschungsteam der unibz wird sich dabei der Genomik widmen und untersuchen, welche Gene eine Rolle für die Aufnahme und Übertragung von Phytoplasmen spielen. Das Luxemburger Forschungsteam prüft dagegen experimentell, ob die verschiedenen regionalen Herkünfte des Insekts die Aufnahme des Pflanzenpathogens und seine Weitergabe bedingen, und ob ansteigende Temperaturen im Zuge des Klimawandels die Übertragung beschleunigen.
Hunderte Millionen Jahre in die Vergangenheit
Wichtiges Grundlagenwissen für optimierte Pflanzenschutzstrategien soll auch ein weiteres Joint Projekt liefern, das das Forschungsteam um Hannes Schuler gemeinsam mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), dem Max-Plank-Institut Jena, der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sowie dem Naturmuseum Berlin durchführt. Darin begibt sich das internationale Forschungsteam auf die historischen Spuren der Symbiose von Blattflöhen mit unterschiedlichen Bakterien. Diese liefern den Pflanzensaft saugenden Insekten wichtige Nährstoffe wie Aminosäuren, die in den nährstoffarmen Pflanzensäften nicht enthalten sind und ermöglichen so ihr Überleben. „Da diese ko-evolutionären Dynamiken zwischen Blattflöhen und ihren Symbionten teils schon seit hunderten Millionen von Jahren bestehen, aber auch immer wieder Veränderungen unterworfen sind, wollen wir diese Evolutionsgeschichte rekonstruieren“, so Schuler. Mit einer Kombination aus Genomsequenzierung, phylogenetischen Rekonstruktionen und moderner Fluoreszenzmikroskopie von Bakterien aus mehr als hundert Blattfloharten soll die Ko-Evolution von Blattflöhen und deren Symbionten rekonstruiert werden, um die Dynamiken und Funktion dieser bakteriellen Partner besser zu verstehen.
Die Ergebnisse dieser Grundlagenforschung sollen nicht nur das Verständnis von Insekten-Mikroben-Beziehungen vertiefen. „Sie liefern auch Erkenntnisse für die angewandte Forschung – mit neuen Möglichkeiten, die Übertragung von Krankheiten durch Insekten zu stoppen“, so Hannes Schuler.
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