Feral Wool – Ein Forschungsprojekt zur Zukunft der Wolle
Von Rosmarie Hagleitner

Wolle ist weit mehr als nur ein Material – sie erzählt die Geschichte einer uralten wechselseitigen Beziehung zwischen Mensch und Tier. Schafe lieferten Nahrung und Wolle und prägten die Landschaft, während Menschen ihnen Pflege und Schutz gewährten. Infolge der Globalisierung und industrieller Marktstandards wurde Wolle jedoch zunehmend als ungenutzter Reststoff behandelt und tonnenweise achtlos entsorgt – auch in Südtirol. Im Forschungsprojekt „Feral Wool – Designing with a vibrant matter in times of uncertainty“, das Teil des PNRR-Projekts iNEST ist, rücken drei Designer:innen der unibz diese wertvolle Ressource ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Ziel ist es, das Bewusstsein für die ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen im Zusammenhang mit Wolle und Schafhaltung zu schärfen und gemeinsam mit Schäfer:innen, Produzent:innen, Designer:innen und Interessierten neue Perspektiven und Zukunftsszenarien für eine nachhaltigere Zukunft für Wolle zu gestalten. In öffentlichen Diskussionen, Videos und künstlerischen Arbeiten geht es nicht nur um alternative Nutzungsmöglichkeiten, sondern vor allem auch um ein Umdenken.
Mit Ergebnissen und Denkanstößen ist das Forschungsprojekt Feral Wool Teil der Ausstellung „Gras und Zähne – al pascolo – may grazing safe“ im Naturmuseum Südtirol in Bozen, die sich mit der Kulturgeschichte der Weidewirtschaft auseinandersetzt und die aktuellen Herausforderungen der Tierhaltung im Zeichen des Klimawandels thematisiert. Das Forschungsteam der unibz um Merve Bektaş vom Kompetenzzentrum für Innovationsökosysteme in Bergregionen sowie Prof.in Seçil Uğur Yavuz und Camilo Ayala Garcia von der Fakultät für Design und Künste präsentiert mit Feral Wool drei interaktive Installationen, die sich im Laufe der Ausstellung weiterentwickeln. Sie laden das Publikum dazu ein, sich aktiv mit der Bedeutung und den verborgenen Möglichkeiten von Wolle auseinanderzusetzen und sich mögliche Zukunftsszenarien in Südtirol und darüber hinaus vorzustellen.

Eine der drei Installationen ist ein Aufruf zur Pflege von Wolle. Mit dieser Videoinstallation rufen die Forschenden dazu auf, sich intensiver mit der heimischen Wolle und ihrem Ökosystem auseinanderzusetzen. Sie lädt ein, über den Wert von Wolle nachzudenken – nicht nur als Material, sondern als Teil eines sensiblen Kreislaufs, in dem Mensch, Tier und Umwelt untrennbar verbunden sind. Schäfer:innen, Landwirt:innen, Handwerker:innen und Produzent:innen kommen zu Wort und teilen ihre Gedanken darüber, was Wolle für sie bedeutet und welche Herausforderungen und Zukunftspotenziale sie sehen.

Die Installation Mapping Wools macht die Vielfalt und Ästhetik der Wolle aus Südtirol sichtbar. Die Ausstellung unterschiedlicher Wollproben macht die enge Verbindung zwischen Schafen und Menschen erlebbar. „Die Zahl der Schafe geht zurück und viel Wolle bleibt ungenutzt. Unsere Installation soll nicht nur die Schönheit und Vielfalt dieses Materials erlebbar machen, sondern auch ein nachhaltiges Woll-Ökosystem schaffen. Gleichzeitig bringt sie Menschen zusammen und eröffnet neue Wege, um das Naturmuseum, die Stadt und unsere Forschung miteinander zu verknüpfen“, erklärt Eco-Social Designerin Merve Bektaş. Die Installation wächst im Laufe der Ausstellung kontinuierlich, da alle, die mit Schafen arbeiten, neue Wollproben beisteuern können. So entsteht ein lebendiges Archiv, das die ästhetische, materielle und kulturelle Bedeutung von Wolle zeigt.

Die dritte Installation wagt einen Blick in die Zukunft und zeigt drei Zukunftsszenarien für Wolle im Jahr 2035. Anhand fiktiver Artefakte werden mögliche Entwicklungen und innovative Nutzungsmöglichkeiten des Materials aufgezeigt. Diese Zukunftsszenarien laden Besucher:innen dazu ein, sich eine nachhaltige und widerstandsfähige Zukunft der Wolle vorzustellen. Über einen QR-Code können sie darüber abstimmen, welches Szenario sie sich am ehesten vorstellen können.
Die drei Installationen des Projekts Feral Wool, die mit ihrem partizipativen und dynamischen Ansatz nicht nur zum Nachdenken, sondern auch zum Mitmachen anregen, sind noch bis zum 12. Oktober 2025 in der Ausstellung „Gras und Zähne“ im Naturmuseum Südtirol in Bozen zu sehen.
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