Die neue Dekanin
Von Susanne Pitro

Die erste Frau an der Spitze der Fakultät für Design und Künste und vor allem die erste Sozialwissenschaftlerin in diesem Dekanat: Wie kommt eine Anthropologin, die lange an der Fakultät für Bildungswissenschaften geforscht und gelehrt hat, zu dieser Aufgabe?
Elisabeth Tauber: Meine Wahl kommt für viele Außenstehende sicher sehr überraschend; ich werde auch immer wieder darauf angesprochen. Doch ich habe bereits 2016 begonnen, im Masterstudiengang in Eco-Social Design zu unterrichten und habe dort über die Jahre eine sehr aktive Rolle übernommen – sei es in der Gestaltung von didaktischen Formaten, sei es bei der Betreuung von mehr als 30 Abschlussarbeiten.
Und daraus entstand der Wunsch, an diese Fakultät zu wechseln?
Obwohl ich weder aus Design oder Kunst stamme, habe ich mich an dieser Fakultät sofort zu Hause gefühlt. Sicher auch deshalb, weil ich mich in meiner Forschung neben den klassischen anthropologischen Themen sehr stark mit ökologischen Fragestellungen beschäftige und dabei auch interdisziplinär mit Designer:innen und Künstler:innen arbeite. Vor zwei Jahren ergab sich dann die Möglichkeit, die Fakultät zu wechseln.
Und wann konkretisierte sich die Idee, Nachfolgerin von Prof. Nitzan Cohen zu werden?
Nitzan Cohen selbst hatte mich schon vor einem Jahr gefragt, ob ich mir dieses Amt vorstellen könnte. Mein erster Gedanke war tatsächlich „no way“. Eben vor allem, weil ich weder Designerin bin noch aus dem Bereich Kunst komme. Dann habe ich viele Gespräche mit Kolleg:innen geführt und zunehmend begonnen, mich für die Idee zu begeistern. Und es sogar als Chance zu sehen, dass ich nicht so eng an eine der beiden Disziplinen gebunden bin.
Also gewissermaßen supra partes zu sein?
Ja, vielleicht auch als Mediatorin im anthropologischem Sinn. Ich habe das auch immer wieder in meiner Zusammenarbeit mit Designer:innen gesehen. Wenn die bereits mit einer kreativen Intervention loslegen wollten, war ich oft diejenige, die eingefordert hat, noch einmal einen Schritt zurückzumachen, weil wir einfach noch nicht den gesamten Kontext erfasst hatten. Und dieses Zusammenspiel hat sich immer als sehr produktiv erwiesen.
Ich möchte vor allem die Bedingungen zu schaffen, unser Potenzial noch mehr auszureizen, vor allem in Bezug auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit.
Das heißt, Sie werden als Dekanin auch erst einmal bremsen müssen?
Bremsen nein, das würde ich nicht sagen. Doch ich denke, dass wir als Fakultät tatsächlich erst einmal in eine Konsolidierungsphase gehen müssen. Nitzan Cohen hat mit seinem Team in den vergangenen Jahren unglaublich viel bewegt. Wir haben einen neuen Masterstudiengang in Critical Creative Practices ins Leben gerufen, wir haben unseren ersten PhD-Studiengang, der in den ersten beiden Runden auf unerwartet großes Interesse gestoßen ist. Jetzt gilt es, das erst einmal zu verdauen und alle mitzunehmen – die Studierenden unserer neuen Studiengänge, aber auch Kolleginnen und Kolleginnen, die neu dazugekommen sind oder noch kommen werden.
Das Doktoratsstudium in Experimental Research through Design, Art and Technologies bringt auch erstmals Forschende aus technologischen Disziplinen an die Fakultät.
Dieser PhD hat eingeschlagen wie eine Bombe. Wir hatten Bewerbungen aus der ganzen Welt und es war nicht einfach, unter den vielen qualifizierten Kandidat:innen eine Auswahl zu treffen. Sicher auch, weil dieses interdisziplinäre Zusammenspiel zwischen Design, Kunst und Technologie etwas ist, das aktuell gebraucht wird. Als Einzeldisziplinen können wir die komplexen Herausforderungen unserer Zeit gar nicht mehr abdecken. Und gerade Kunst und Design öffnen hier neue Zugänge.
Wie?
Durch eine andere Art des Denkens, der Forschung, der Werkzeuge und Methoden. Ich denke, die Fakultät für Design und Künste der unibz hat ein großes Potenzial, die wichtigen Fragen unserer Zeit auf eine neue, innovative und kreative Art und Weise zu bearbeiten, im Zusammenspiel verschiedener Kompetenzen und Disziplinen. Denn Design beschränkt sich an dieser Fakultät nicht darauf, etwas Schönes herzustellen. Auch die Abschlussarbeiten unserer letzten Diplorama! haben wieder deutlich gemacht, auf welch hohem Niveau hier gearbeitet wird, und wie tief sich auch unsere Studierenden mit gesellschaftlichen Entwicklungen und Zusammenhängen auseinandersetzen.
Was sind die nächsten Schritte, die Sie nun setzen möchten?
Ich möchte vor allem die Bedingungen zu schaffen, unser Potenzial noch mehr auszureizen, vor allem in Bezug auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Natürlich sollen alle weiterhin in der eigenen Disziplin stark bleiben. Doch ich wünsche mir noch mehr Mut, dann auch immer wieder Grenzen zu überschreiten, uns auf andere Disziplinen einzulassen, von den Sozialwissenschaften hin zu den Ingenieurswissenschaften. Und dann haben wir auch noch einiges in Bezug auf Künstliche Intelligenz vor. Auch hier gilt es, zu verstehen und auszuprobieren, wie wir dieses Tool nutzen können. Es ist wichtig, dass wir als Menschen weiterhin bestimmen, was gestaltet werden soll.
Was konkret haben Sie vor?
Allen voran, uns dem Thema proaktiv zu stellen. Denn wenn wir nicht lernen, das System zu nutzen, nutzt es uns. Wir sind bereits dabei, die KI noch viel stärker in unsere Didaktik zu integrieren, immer mit einer begleitenden Evaluierung der Erfahrungen und Ergebnisse. Unsere Studierenden sollen lernen, diese Tools auf Basis unserer Kulturtechniken richtig einzusetzen.
Als Einzeldisziplinen können wir die komplexen Herausforderungen unserer Zeit gar nicht mehr abdecken. Und gerade Kunst und Design öffnen hier neue Zugänge.
Und die Forschung? Die wird Design und Kunst ja oft nicht wirklich zugetraut ...
Wir haben sehr spannende Forschungsprojekte an der Fakultät. Teilweise treffen sie vielleicht nicht die klassischen Vorstellungen von Forschung, weil sie methodisch anders vorgehen. Da wird mit Materialien experimentiert, die Bedeutung von Fonts analysiert oder die Entwicklung von Netzwerken in Zusammenhang mit sozialen Projekten untersucht. Vor allem zum Thema Kreislaufwirtschaft passiert sehr viel in der Forschung, auch interdisziplinär und mit anderen Fakultäten.
Doch im Vordergrund steht immer noch die Didaktik?
Die Didaktik ist sicherlich das große Aushängeschild der Fakultät. Doch aufbauend auf diesem Schatz hat die Forschung in den vergangenen Jahren stark aufgeholt. Es dauert immer seine Zeit, veränderte Paradigmen, wie in diesem Fall Design und Kunst, in einen akademischen Kontext zu übersetzen, eine neue wissenschaftliche Sprache für das zu finden, was hier gemacht wird. Doch mittlerweile hat sich bei uns definitiv eine eigene Forschungspraxis etabliert. Und ich denke, ihre Besonderheiten können auch als Modell für andere Bereiche dienen, etwas für die Kultur.
Gibt es etwas, dass Sie am Ende Ihrer Amtsperiode unbedingt erreicht haben wollen?
Oh ja: eine eigene Galerie. Diese Vision möchten wir unbedingt umsetzen. Wir brauchen einen permanenten Raum, in der unsere Arbeit mehr Sichtbarkeit erhält. Nicht nur in Design und Kunst, sondern auch für all die interdisziplinären Projekte, von denen ich gesprochen habe. Außerdem möchten wir einen Preis für die besten künstlerischen Arbeiten ins Leben zu rufen. Daran arbeiten wir auch schon konkret. Wir sind die kleinste Fakultät an der unibz, doch wir haben das Potenzial, aufgrund unserer ungewöhnlich kreativen Denk- und Arbeitsweise zu einer Drehscheibe für zukunftsweisende innovative Forschung und Didaktik zu werden.
Related people: Elisabeth Tauber, Nitzan Cohen