Kastanienrindenkrebs: Forschungsschwerpunkte zur Bekämpfung der Krankheit
By Editorial Team
Die ursprünglich aus Asien stammende Pilzart Cryphonectria parasitica gelangte in den 1930er Jahren vermutlich mit Holztransporten nach Europa und befällt seither europäische Kastanienbäume. Der Pilz infiziert die Bäume über kleinste Wunden in der Rinde, die beispielsweise beim Baumschnitt, der Veredelung oder beim Austrieb neuer Zweige entstehen. Über die Luft oder durch Regentropfen gelangen die Pilzsporen in diese Verletzungen und bilden Hyphen, fadenförmige Strukturen, die das darunter liegende Gewebe befallen und zum Absterben bringen. Dadurch entstehen charakteristische Risse in der Rinde, der sogenannte Rindenkrebs. Eine natürliche Bekämpfung des Pilzes ist die Infektion mit einem sogenannten Hypovirus, das die Aggressivität des Pilzerregers reduzieren kann. Der schädliche Pilz wird nicht eliminiert, aber seine Virulenz – die Fähigkeit den Baum zu infizieren – wird herabgesetzt (Hypovirulenz), sodass sich der Baum besser verteidigen kann, was zu einer geringeren Sterblichkeit der Kastanienbäume führt.
Bereits in den 1990er Jahren wurde in Südtirol durch den Forstdienst eine großangelegte Initiative zur biologischen Bekämfpung des Kastanienrindenkrebses gestartet, bei der rund 6.000 Kastanienbäume mit hypovirulenten Pilzstämmen beimpft wurden. Da nach diesem Projekt keine Nachuntersuchungen vorgenommen wurden, hat Prof.in Sanja Baric von der Fakultät für Agrar-, Umwelt- und Lebensmittelwissenschaften die Situation drei Jahrzehnte später erneut analysiert. Für eine erfolgreiche Übertragung des Virus müssen die Pilzstämme genetisch kompatibel sein, da nur so Hyphenverbindungen als Übertragungsbrücken gebildet werden können. Diese Übereinstimmung ist äußerst komplex: 64 verschiedene vegetative Kompatibilitätstypen sind bekannt, und eine Virusübertragung ist nur zwischen genetisch passenden Pilzstämmen möglich.
Im Jahr 2023 führte das Team um Baric eine erneute Bestandsaufnahme an 17 Standorten in Südtirol durch. Dabei zeigte sich, dass alle untersuchten Bäume Symptome von Rindenkrebs aufwiesen. „Eine besondere Herausforderung ist die hohe genetische Vielfalt des Pilzes: 23 verschiedene Kompatibilitätstypen wurden identifiziert, was eine erfolgreiche biologische Bekämpfung erschweren kann“ erklärt Prof.in Sanja Baric. Dennoch wurden rund 30 Prozent der analysierten Pilzisolate als hypovirulent eingestuft – ein Indiz dafür, dass sich das Hypovirus in den Kastanienbeständen durchgesetzt hat.
Um die Kastanienbestände langfristig zu schützen, arbeiten Baric und ihr dreiköpfiges Team in enger Kooperation mit der Fondazione Cariverona, der ERSA Friaul-Julisch Venetien und Giorgio Maresi von der Fondazione Edmund Mach zusammen.
Jungbäume sind besonders empfindlich gegenüber der Krankheit und die Sterblichkeit in den ersten Jahren ist sehr hoch. Deshalb liegt einer der Schwerpunkte auf der Untersuchung von Veredelungsmethoden, um festzustellen, ob bestimmte Verfahren die Anfälligkeit junger Bäume verringern können. Die Veredelung – das Aufpfropfen der Edelkastanie auf einen Wildkastanienstock – führt zwangsläufig zu Wunden, die potenzielle Eintrittspforten für den Pilz darstellen. Wenn diese schneller verheilen, kann das Infektionsrisiko verringert werden. In einem weiteren Projekt konzentrieren sich die Forschungsarbeiten auf umfangreiche in-vitro- und in-vivo-Tests zur Identifizierung der effizientesten hypovirulenten Pilzstämme für eine mögliche großflächige Anwendung.
„Die Kastanie ist derzeit nicht vom Aussterben bedroht“, sagt Prof.in Baric zuversichtlich. Sie betont, dass eine Kombination aus Forschung, genetischer Charakterisierung und modernen biotechnologischen Methoden vielversprechende Ansätze bietet, um die Kastanienhaine und -wälder in Südtirol und Italien nachhaltig zu schützen.
Die bisherigen Erkenntnisse zeigen aber auch die Herausforderungen auf: Eine zunehmende genetische Diversität des Pilzes und klimatische Extrembedingungen durch die Klimaerwärmung könnten den Verlauf der Krankheit beeinflussen. „Trotz dieser Hürden bietet die Forschung neue Perspektiven, um die Kastanienkultur zu erhalten und zu stärken“, so Baric.
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