Einsaaten als Öko-Booster
By Susanne Pitro

Wie kann der Südtiroler Apfelanbau so nachhaltig wie möglich gestaltet werden? Für dieses Anliegen arbeiten die wichtigsten Player der Südtiroler Apfelwirtschaft im Rahmen der gemeinsamen Strategie „sustainapple“ mit der Freien Universität Bozen zusammen. Eines der von den Partnern finanzierten Projekte bringt nun erste Erkenntnisse zu einer Frage, die in der Forschung bisher weitgehend vernachlässigt wurde: Könnten Einsaaten in Südtiroler Apfelanlagen eine einfache und leicht zugängliche Möglichkeit sein, um klimafreundliche Praktiken in die Landwirtschaft zu integrieren – allen voran aufgrund der Bindung und Speicherung von Kohlenstoff und der damit verbundenen positiven Wirkung auf Treibhausgasemissionen?
In dreijähriger Forschungsarbeit und bislang über 5000 Analysen hat ein fünfköpfiges Team der unibz unter Leitung von Prof.in Tanja Mimmo und Prof. Luigimaria Borruso begonnen, diese Forschungslücke zu füllen. Insbesondere im Weinbau gibt es bereits langjährige positive Erfahrungen mit der Praxis, bestimmte Pflanzenarten zwischen oder unter die Reihen der Hauptkulturpflanze zu säen. Auch die wissenschaftliche Literatur liefert einige Belege dafür, wie Einsaaten Schutz vor Erosion und Nährstoffauswaschungen bieten, die Pflanzenproduktion durch die Erhöhung des Nährstoffeintrags in Form von organischer Substanz unterstützen und somit zu einer Verbesserung der Bodengesundheit beitragen. Gleichzeitig hat die Forschung bereits auf ihr Potenzial zur Erhöhung der Kohlenstoffbindung und -speicherung in landwirtschaftlichen Ökosystemen aufmerksam gemacht.
Dennoch gab es bislang keine diesbezüglichen Untersuchungen in Südtiroler Apfelanlagen. Nicht zuletzt die mangelnde Berücksichtigung des Unterbodens – also der Bodenschicht ab 30 Zentimeter unter der Oberfläche – in der Literatur führt dazu, dass eine direkte Quantifizierung der Kohlenstoffbindung schwer möglich ist. Als Teil der Nachhaltigkeitsstrategie sustainapple finanzierte das Südtiroler Apfelkonsortium zwei Doktorats-Stellen an der unibz, wodurch in den vergangenen Jahren erste Untersuchungen dieses unerforschten Felds ermöglicht wurden.
Als Experimentierfläche boten fünf Apfelbauern der Pioniergruppe von sustainapple aus dem Vinschgau und Burggrafenamt Versuchsfelder an. In jeder dieser Anlagen wurden unterschiedliche Einsaatmischungen (Südtirolmischung und Hühnerauslaufmischung) gepflanzt sowie ein Kontrollfeld mit spontaner Vegetation eingerichtet. Beprobt wurden sowohl Ober- als auch Unterboden; und zwar mehrmals im Jahr in Frühjahr, Sommer und Herbst.
Auch methodisch begab sich das fünfköpfige Forschungsteam mit den beiden Doktorandinnen Rita Noto und Elizabeth Rose Foley auf neue Wege. „Bislang herrscht in der wissenschaftlichen Community noch keine Einigkeit darüber, welche Kohlenstofffraktionen bei der Analyse besonders wichtig für die Quantifizierung der Kohlenstoffbindung sind “, sagt der Forscher Raphael Tiziani. „Deshalb ist die Methodik noch nicht klar und gut definiert.” Das unibz-Forschungsteam entschied sich neben der Analyse von gesamtem organischem Kohlenstoff für je eine stabile und labile organische Kohlenstofffraktion. Das sogenannte Mineral Associated Organic Matter – MAOM, das bis zu 1000 Jahre lang im Boden bleiben kann, kleiner als 63 Mikrometer ist und eine große molekulare Masse besitzt, sowie das labile Particulate Organic Matter – POM, das bereits nach spätesten 50 Jahren abgebaut wird, leichter, und kleiner als 63 Mikrometer ist.
In aufwändiger Arbeit wurde der beprobte Boden dann von den beiden Doktorandinnen im Labor nassgesiebt, das heißt die größeren von den kleineren Kohlenstofffraktionen über ein Feinsieb getrennt. In über 5000 Analysen wurde dann untersucht, inwiefern die Einsaaten die verschiedenen Kohlenstofffraktionen in Ober- und Unterboden erhöhen, wobei zwischen Gesamtkohlenstoff, gelöstem Kohlenstoff und den beiden oben genannten Fraktionen unterschieden wurde.
Zusätzlich zur Kohlenstoffbindung untersuchte das Forschungsteam auch, wie sich die Einsaaten auf die biologischen Eigenschaften des Bodens auswirkten – anhand von Bodenatmung, mikrobieller Biomasse und Enzymaktivität. Außerdem wird die Boden-Biodiversität mittels „DNA Metabarcoding“ und „Shotgun Sequenzierung“ erfasst.
Die Ergebnisse der noch laufenden Analysen werden in den kommenden Monaten vorgestellt. Definitive Antworten sollten sich Landwirte davon aber noch nicht erwarten, räumt Prof.in Tanja Mimmo ein. „Auch weil Böden je nach Standort und Mikroklima so unterschiedlich sind, dass Pauschalaussagen kaum möglich sind“, so die Professorin und Vize-Rektorin für Forschung. Dennoch sei es wichtig, das Verständnis für nachhaltige Bewirtschaftungsmethoden weiter zu vertiefen und die Forschung in diesem Bereich konsequent voranzutreiben. In den kommenden Jahren sollen daher weitere Untersuchungen folgen, um eine fundierte wissenschaftliche Basis für zukunftsfähige landwirtschaftliche Praktiken zu schaffen und die zahlreichen komplexen Wechselwirkungen in einem hochdynamischen System wie dem Boden vollständig zu verstehen. Damit wird zugleich ein wichtiger Grundstein für eine nachhaltige Weiterentwicklung des Apfelanbaus in Südtirol gelegt.
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