AlpiLinK: Audio-Landkarte von 18 Minderheitensprachen und Dialekten ist online
Mehr als 3.300 Sprecherinnen und Sprecher aus 1.033 Gemeinden, 18 Minderheitensprachen und Dialekte und tausende aufgezeichnete Audiodateien: so lautet die Bilanz der bislang größten digitalen Audio-Landkarte, die den Minderheitensprachen und Dialekten Norditaliens gewidmet ist. Nach einer Vorbereitungsphase und mehr als zwei Jahren intensiver Arbeit wurde das Projekt AlpiLinK – Alpine Sprachen im Kontakt abgeschlossen. An dem vom italienischen Ministerium für Universität und Forschung als Projekt von nationalem Interesse geförderten Forschungsvorhaben waren die Universitäten Verona, Bozen, Trient, Turin und Aostatal beteiligt.
Die Ergebnisse sowie die Perspektiven für die Weiterentwicklung des Projekts wurden vergangene Woche bei einer Pressekonferenz an der Universität Verona vorgestellt, an der die Projektverantwortlichen aller fünf Universitäten teilnahmen, darunter Prof.in Birgit Alber für die unibz. Im Rahmen der Pressekonferenz kam auch Jay Kelton Hevelone zu Wort – ein US-amerikanischer Absolvent des Masterstudiengangs in Angewandter Linguistik an der unibz. Er hat sich dazu entschlossen, autodidaktisch Tiroler Dialekt zu erlernen, um sich in seinem neuen Lebensumfeld besser zu integrieren.
Die interaktive Karte auf der Webseite www.alpilink.it vereint Beiträge von Bürgerinnen und Bürger, die sich spontan an der Untersuchung beteiligt haben, sowie Aufnahmen von mehr als 1.100 Schülerinnen und Schülern aus 36 Oberschulen. Diese wurden auch aktiv in das Projekt miteinbezogen, indem sie Menschen in ihrer Umgebung interviewten und sie bei der Aufnahme von Audiodateien unterstützten.
In Südtirol wurden über 12.000 Audiodateien in Tiroler Dialekten und Ladinisch gesammelt. Insgesamt beteiligten sich dort neun Schulen und mehr als 360 Schülerinnen und Schüler an dem Projekt.
Die AlpiLinK-Datenbank leistet einen wichtigen Beitrag zur Erforschung und Vermittlung von Minderheitensprachen und Dialekten – von verbreiteten Varietäten bis hin zu jenen, die nur in kleinen Sprachinseln gesprochen werden. Erfasst wurden unter anderem Friulanisch, Venetisch, Trentinisch, Ladinisch, Lombardisch, Piemontesisch, Frankoprovenzalisch, Okzitanisch, Walserdeutsch, Zimbrisch, Fersentalerisch (Mòcheno), Plodarisch, Sauranisch, Tischelwangerisch, Tiroler Dialekte, Resianisch sowie Kanaltal-Deutsch und -Slowenisch. Damit deckt das Projekt ein breites Spektrum der romanischen, germanischen und slawischen Sprachfamilien ab.
Der älteste Teilnehmer ist ein 101-Jähriger aus dem Gadertal, der Ladinisch spricht; der jüngste ein vierjähriges Kind, das Frankoprovenzalisch spricht. Die höchste Beteiligungsquote verzeichnete die kleine Gemeinde Lusern, eine zimbrische Sprachinsel im Trentino – hier nahmen rund 13 Prozent der Bevölkerung teil.
AlpiLinK bietet damit ein wertvolles „Navigationsinstrument“ für die Forschung. Die Plattform ermöglicht es, sprachliche Vielfalt sichtbar zu machen und die Ausdrucksweisen verschiedener Regionen für denselben Begriff miteinander zu vergleichen.
Ein Beispiel aus dem Online-Fragebogen verdeutlicht dies: Die Teilnehmenden sollten eine Abbildung beschreiben, auf der ein Mann eine Salami schneidet. Während das Wort salame in ganz Norditalien verbreitet ist – auch in deutschen und slowenischen Minderheitensprachen – zeigen sich vier regionale Besonderheiten: In Tiroler Dialekten und im Walserdeutsch dominiert Wurst, identisch mit dem Standarddeutschen. In venetischen Dialekten findet sich vorwiegend salado. Im Frankoprovenzalischen des Aostatals taucht neben salam vereinzelt saouseusse (vom französichen saucisse) auf, während in vielen Teilen des Trentino luganega verwendet wird, ein Begriff, der eigentlich eine andere Wurstsorte bezeichnet.
Parallel zur Audio-Landkarte ist im Rahmen des Projekts eine weitere Initiative entstanden: Die Universität Verona hat in Zusammenarbeit mit der Associazione Tzimbar das erste digitale Wörterbuch Zimbrisch–Italienisch und Italienisch–Zimbrisch für die zimbrische Varietät von Giazza (Gemeinde Selva di Progno, Lessinia, Provinz Verona) veröffentlicht. Die digitale Publikation, abrufbar unter tautsch.it, wurde von der lokalen Gemeinschaft erarbeitet und von den Linguisten Stefan Rabanus und Alessandra Tomaselli wissenschaftlich begleitet. Auch hierfür wurden Daten von AlpiLinK herangezogen.
Die Abschluss-Pressekonferenz von AlpiLinK bot zugleich die Gelegenheit, einen Blick in die Zukunft zu werfen und das neue Projekt corDATA vorzustellen. „Die im Rahmen von AlpiLinK entwickelte Plattform eröffnet uns eine neue Form der gemeinsamen Forschung, die weiter ausgebaut werden soll“, erklärte Projektkoordinator Prof. Stefan Rabanus von der Universität Verona. „Sie könnte zu einer zentralen Plattform für die Sprachen nicht nur Norditaliens, sondern des gesamten Landes werden – eine Online-Sprachkarte, in die Ergebnisse weiterer Forschungsinitiativen integriert werden können. Eine erste Kooperation mit der Universität Florenz besteht bereits.“
Auch das durch AlpiLinK entstandene Netzwerk bleibt bestehen: Im neu gegründeten Interuniversitären Zentrum für alpine Minderheiten bündeln die fünf beteiligten Universitäten ihre Expertise, Ressourcen und Forschungskompetenzen.