Kluge Köpfe kommen und gehen
Di Susanne Pitro

Der Brain Drain, der Verlust hochqualifizierter Arbeitskräfte, ist in Südtirol ein Dauerbrenner. Ebenso häufig wird in dem Zusammenhang die Rolle nach dem Mehrwert einer lokalen Universität gestellt. Häufig gehörte Zweifel: Warum soll Südtiroler Steuergeld für die Ausbildung junger Menschen investiert werden, die dann oft dennoch einen Job außerhalb der Region annehmen – oder nicht einmal aus Südtirol kommen?
Für den Rektor der unibz, Prof. Alex Weissensteiner, entkräftigen schon allein die Fakten solche Fragen. Laut aktuellen Daten des Konsortiums AlmaLaurea haben in den vergangenen fünf Jahren jedes Jahr im Schnitt 830 Absolventinnen und Absolventen die Universität verlassen. Konkrete Zahlen, wie viele davon danach in Südtirol arbeiten, liefert die Erhebung zwar nicht. Doch eine interne Analyse der unibz, die in Zusammenarbeit mit dem Amt für Arbeitsmarktdaten mit Daten von Bachelorabsolvent:innen der Jahre 2017 bis 2021 durchführen ließ, zeigt klar: Eine deutliche Mehrheit der Absolvent:innen arbeitet nach dem Studium in Bozen zumindest für eine bestimmen Zeit in Südtirol. Konkret hatten laut der unibz-Analyse im Durchschnitt 60 Prozent dieser Absolvent:innen nach ihrem Studienabschluss zumindest eine Arbeitsstelle in Südtirol. Wurden nur Südtiroler Studierende betrachtet, stieg der Anteil gar auf 88 Prozent. „Bei einem Studium an der unibz ist die Wahrscheinlichkeit deutlich höher, dass Absolvent:innen in Südtirol arbeiten, als bei einem Studium außerhalb der Provinz“, sagt Rektor Weissensteiner.
Der Wissenstransfer, den eine Universität auch für den lokalen Arbeitsmarkt bringt, steht für ihn außer Zweifel. „Wir halten Menschen im Land, aber wir ziehen auch neue Talente an, die hier studieren und zumindest teilweise nach dem Studium eine Karriere in Südtirol einschlagen.“ Wie viele auswärtige Studierende dies tatsächlich tun, wird derzeit mit einer Aktualisierung der Daten genauer erhoben. Laut der vorliegenden Analyse könne man aber davon ausgehen, dass knapp ein Drittel zumindest eine Zeitlang in Südtirol arbeitet. Klar sei aber auch: Je länger der Betrachtungszeitraum geht, desto geringer wird vor allem bei bestimmten Fakultäten der Anteil der Alumni, die noch im Land sind. Aus einer Analyse der Beobachtungsstelle für den Arbeitsmarkt für die Jahre 2004 bis 2023 ist hält sich die Zu- und Abwanderung von Absolvent:innen der unibz in diesem Zeitraum mit rund 900 Zuwanderungen und 1000 Abwanderung in etwa die Waage.
Eine solches „Kommen und Gehen“ kann angesichts eines globalisierten und digitalisierten Arbeitsmarkt teilweise auch als natürlich angesehen werden. Klar ist aber laut dem Rektor der unibz, dass Südtirols Arbeitsmarkt umso konkurrenzfähiger sein muss. „Denn so wie die fehlenden Wohnheimplätze unsere Attraktivität als Studienort beeinträchtigen, sind hohe Immobilien- und Lebensmittelkosten bei Löhnen, die vielfach nicht mit Nachbarregionen mithalten können, ein limitierender Faktor.“
Iris Tappeiner, Leiterin des Career Service der unibz, lädt dazu ein, den Fokus nicht nur auf den Braindrain zu lenken. „Natürlich ist es unser Ziel, möglichst viele Talente zu rekrutieren und bereits während des Studiums über Initiativen unseres Praktika- und Jobservices mit Südtiroler Unternehmen in Kontakt zu bringen.“ Doch es sei eine Tatsache, dass nicht nur Studierende, sondern auch Absolvent:innen heute weit mehr zwischen Regionen und Ländern zirkulieren als noch in der Generation davor. „Wir sollten diesen Prozess viel stärker als Brain Circulation, also als zirkulären Prozess der Hin- und Her- bzw. Weiterwanderung von Talenten ansehen“, sagt Tappeiner. Ein wesentlicher Grund, warum an der unibz auch viel Energie in das Networking mit Alumni gesteckt wird. „Denn selbst wenn Absolvent:innen im Ausland sind, können sie – auch mit dem dort erworbenen Erfahrungen und Wissen – innerhalb von Netzwerken eine Ressource für Südtirol darstellen.“ Und: Je stärker der Kontakt gehalten wird, desto höher sei die Chance, das die eine oder andere Auslandssüdtiroler:in auch wieder für eine Aufgabe im Land begeistert werden könne – erst recht in Zeiten von Smart Working und Digital Nomads.
Kurzum: Eine Universität kann viel dazu beitragen, junge Talente anzuziehen, sie gut auszubilden, sie möglichst bald mit dem lokalen Arbeitsmarkt in Kontakt zu bringen und ihre Bindung an Südtirol auch über Grenzen hinweg mit Alumni-Netzwerken zu stärken. „Welche Lebensentscheidungen junge Menschen dann letztendlich treffen, hängt aber von Faktoren außerhalb unseres Wirkungsbereichs ab“, sagt Iris Tappeiner.
Dieser Artikel ist auch in der Südtiroler Wirtschaftszeitung erschienen.
Persone nell’articolo: Alex Weissensteiner, Iris Maria Tappeiner