Skip to content

Free University of Bozen-Bolzano

Computer science Artificial intelligence Society

Mit KI die dringendsten Herausforderungen unserer Gesellschaft bewältigen

Künstliche Intelligenz: Chancen, Risiken und die Rolle von Wissensgraphen in der Technologieentwicklung. Ein Gespräch mit dem KI-Experten der unibz Prof. Diego Calvanese.

By Rosmarie Hagleitner

KI-Experte Prof. Diego Calvanese

Im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) wird unterschieden zwischen datengetriebener und symbolischer KI. Was sind die wesentlichen Merkmale dieser beiden Ansätze?

Prof. Diego Calvanese: Die datengetriebene KI, die auf Methoden wie Machine Learning und Deep Learning basiert ist, hat in den letzten Jahren mit Systemen wie ChatGPT enorme Erfolge gefeiert. Diese Systeme basieren auf statistischen Methoden und werden mit großen Datenmengen trainiert, um Zusammenhänge und Muster zu erlernen – allerdings ohne Garantien für absolute Genauigkeit. Ihr Potenzial ist groß, aber sie haben auch ihre Grenzen. Und das ist vielen Anwender:innen nicht bewusst, weil das System Sätze und Texte erzeugt, die plausibel klingen. Aber: Das System macht Fehler und ChatGPT beispielsweise „versteht“ nichts von dem Text, der erzeugt wird.
Im Gegensatz dazu setzt die symbolische KI auf logikbasierte Ansätze, bei denen Wissen explizit modelliert wird, beispielsweise durch Regeln und Fakten. Mittels Algorithmen, die logische Inferenz nutzen, können aus dem formalisierten Wissen neue Erkenntnisse gewonnen werden. Diese Methode liefert garantiert präzise Antworten, und die Schritte, die zu einer Schlussfolgerung geführt haben, können nachvollzogen werden. Somit kann eine symbolische KI ihren Denkprozess erklären, was bei einer datengetriebenen KI zumindest derzeit nicht möglich ist.

Wie trägt die KI-Forschung an der unibz zur Entwicklung innovativer Lösungen bei?

Unsere Mission ist es, die Grenzen von Wissen und Technologie im Bereich der künstlichen Intelligenz zu erweitern und diese Innovationen zu nutzen, um die dringendsten Herausforderungen unserer Gesellschaft zu bewältigen. An der Fakultät für Ingenieurwesen gibt es spezialisierte Forschungsgruppen, die mit beiden Ansätzen arbeiten. In der Macro Area KRDB (Knowledge Representation and Data) liegt der Fokus auf der symbolischen KI, während die Forschenden der Macro Area D2AI (Data-driven Artificial Intelligence) sich hauptsächlich mit der datengetriebenen KI beschäftigen.
Ein zentraler Bereich Ihrer Forschungsarbeit sind die Wissensgraphen. Was genau ist ein Wissensgraph?
Ein Wissensgraph ist eine strukturierte Darstellung von Wissen und gehört der Kategorie der symbolischen KI an. Er verknüpft Daten mit Wissen, macht somit komplexe Zusammenhänge besser zugänglich und bietet einen umfassenden Überblick über einen bestimmten Bereich. In komplexen Systemen sind Daten oft in verschiedenen Datenbanken gespeichert, wodurch sich der Zugriff für Anwender:innen schwierig gestaltet. Um dieses Problem zu lösen, kann ein Wissensgraph auf diese Datensätze aufgesetzt werden und die Daten werden dann in einer Form präsentiert, die für Fachleute aus der Domäne leicht zugänglich ist.

Können Sie einige Beispiele nennen, wo Wissensgraphen eingesetzt werden?

Ein bekanntes Beispiel sind die Infoboxen, die bei der Google-Suche angezeigt werden. Sie basieren auf Wissensgraphen, die strukturierte Informationen – etwa über Personen oder Orte – in übersichtlicher Form darstellen. Für Unternehmen sind Wissensgraphen besonders nützlich, wenn es darum geht, Daten aus unterschiedlichen Quellen zu vereinen und gezielt für bestimmte Fragestellungen bereitzustellen. In Bereichen wie E-Commerce, Medizin oder Biologie ermöglichen sie eine effizientere Verarbeitung und Nutzung von Informationen.

Wie kann dies konkret aussehen?

In den USA werden etwa medizinische Verschreibungen und Pathologien strukturiert dargestellt und leichter zugänglich gemacht, um zum Beispiel Therapiekosten zu berechnen. Auch in der Industrie kommen Wissensgraphen zum Einsatz, zum Beispiel, um Daten aus der Erdölbohrung zu integrieren und bereitzustellen. Diese Graphen ermöglichen es Fachleuten in Bereichen wie Geologie, Astronomie und auch in der öffentlichen Verwaltung komplexe Informationen leichter abzurufen und zu verarbeiten. Aus diesem Forschungsbereich entstand 2019 übrigens Ontopic, das erste Spinoff der unibz.

KI entwickelt sich rasend schnell. Wo begegnet uns KI im Alltag?

KI ist längst Teil unseres Alltags, oft ohne, dass wir uns dessen bewusst sind. Beim Online-Shopping, auf Videoplattformen und vor allem in sozialen Medien arbeiten Algorithmen im Hintergrund, um unsere Vorlieben zu analysieren und uns personalisierte Empfehlungen zu unterbreiten. Die KI sammelt Daten über die Anwender:innen, profiliert sie und nutzt diese Informationen, um gezielte Werbung und Informationen anzuzeigen …

... was nicht unproblematisch ist. Wo wird das hinführen?

Das ist eine Entwicklung, bei der gezielt gesteuert wird, was Menschen „sehen“ – ein Trend, der auf den sozialen Medien längst weit verbreitet ist. Die Nutzer:innen bewegen sich in einer sogenannten Informationsbubble, in der sie nur noch mit Informationen bespielt werden, die ihren Gedanken und Überzeugungen entsprechen. Das Gefährliche dabei ist, dass nicht nur die persönliche Wahrnehmung verzerrt wird, sondern auch die eigene Meinungsbildung und oder sogar Wahlen beeinflusst werden. Generative KI wird längst nicht mehr nur verwendet, um Analysen oder Profile von Kund:innen zu erstellen, sondern auch um Texte, Videos und Fotos zu erzeugen. Dadurch wird es zunehmend schwieriger, wahre Informationen von Falschinformationen zu unterscheiden. Fake News, also Fehlinformation und Desinformation, wurden erst kürzlich vom World Economic Forum als das weltweit größte Kurzzeitrisiko eingestuft.

Wie sehen Sie die Zukunft der KI und welche positiven Veränderungen können wir erwarten?

Die Zukunft der KI birgt enormes Potenzial, vor allem wenn wir es schaffen, die Technologie verantwortungsbewusst und gezielt einzusetzen. Wir stehen erst am Anfang einer neuen Ära, in der KI uns dabei unterstützen und begleiten wird, komplexe Herausforderungen der Menschheit zu meistern – sei es im Gesundheitswesen, in der Forschung, in der Bildung oder in vielen anderen Lebens- und Arbeitsbereichen.

 

Related people: Diego Calvanese