„Inhabited Dissonance. Bozen Bolzano 1922–2025“

Wie an anderen Orten, die unter faschistischer Diktatur standen, sind auch in Bozen die Spuren einer belastenden Vergangenheit und deren Folgen und Wirkungen unübersehbar. Ein Erbe, dem sich das 2021 an der Fakultät für Design und Künste gestartete interdisziplinäre Forschungsprojekt Curating Bolzano Fascist Legacies. A Sustainable Approach to a City’s Dissonant Heritage widmet. Unter Leitung des Professors für Innenarchitektur und Ausstellungsgestaltung Roberto Gigliotti, des Professors für Zeitgeschichte Andrea Di Michele sowie der Leiterin der Plattform Kulturerbe und Kulturproduktion Waltraud Kofler Engl wird dabei auf zwei Ebenen geforscht. Zum einen wurde das noch heute sichtbare bauliche Erbe des der faschistischen Epoche untersucht, das Bozen als Grenzstadt zu einem einzigartigen Studienobjekt macht – eine Stadt, in der unterschiedliche Wahrnehmungen der Vergangenheit nicht immer harmonisch nebeneinander existieren. „Zum anderen ging es darum, die Ergebnisse nicht nur einer Fachöffentlichkeit zugänglich zu machen, sondern der gesamten Stadtbevölkerung“, erklärt Prof. Roberto Gigliotti.
Aus dieser Überlegung heraus entstand die Ausstellung Inhabited Dissonance. Bozen Bolzano 1922–2025“. Der Titel verweist bewusst auf die alltägliche Auseinandersetzung der Bozner Bevölkerung mit den sichtbaren Spuren der Vergangenheit im öffentlichen Raum, die nach wie vor Fragen aufwirft und zum Nachdenken anregt. Die Ausstellung stellt die im Zuge der Forschung gewonnenen Überlegungen einer Auswahl von Archivmaterialien und künstlerischen Arbeiten gegenüber. Diese zeigen, wie sich verschiedene Akteur:innen mit den vielfältigen Bedeutungen faschistischer Hinterlassenschaften im Stadtbild auseinandergesetzt haben. Im Fokus der Ausstellung stehen die Spuren, die in der Stadt, im kollektiven Gedächtnis und in den Archiven fortbestehen. Die Ausstellung untersucht deren Resonanzen und Dissonanzen und lädt zu einem bewussteren Umgang mit dem öffentlichen Raum ein – einem Umgang, der möglichen Instrumentalisierungen entgegenwirkt.

Neben Archivmaterial werden eigens für die Ausstellung geschaffene Arbeiten von Stefano Graziani, Eduard Freudmann und Ela Spalding präsentiert. Ergänzt werden diese durch eine fotografische Untersuchung von Pietro Coda, Absolvent der Fakultät für Design und Künste der Freien Universität Bozen, sowie durch ausgewählte bestehende Werke.
Die Ausstellungsarchitektur wurde von Claudia Mainardi vom Mailänder Studio Fosbury Architects entworfen, das 2023 den italienischen Pavillon der Architekturbiennale in Venedig kuratiert hat. Mit ihrem Konzept nimmt sie die im Titel der Ausstellung Inhabited Dissonance („Die Dissonanz bewohnen“) enthaltene Herausforderung auf und übersetzt sie in eine Einladung an die Besucher:innen: sich den ausgestellten Materialien nicht unmittelbar, sondern stets über eine Geste oder Handlung zu nähern, die den kontroversen Inhalten entspricht und sie in ein unerwartet kritisches Licht rückt.
Die Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit BAU – Institut für zeitgenössische Kunst und Ökologie sowie Lungomare realisiert und ist Teil des Programms der BAW – Bolzano Art Weeks 2025. Sie ist vom 10. Oktober bis 23. November in der Stadtgalerie Bozen zu sehen.
Das Forschungsprojekt Curating Bolzano Fascists’ Legacies wurde 2021 an der Fakultät für Design und Künste der Freien Universität Bozen ins Leben gerufen und von Prof. Roberto Gigliotti, Prof. Andrea Di Michele und Waltraud Kofler-Engl geleitet. Beteiligt waren außerdem die Kunsthistorikerin Elisabetta Rattalino, die Architekturhistorikerin Gaia Piccarolo sowie der Kommunikationsdesigner und Designprofessor Gianluca Camillini. Unterstützt wurde das Projekt vom Lehrstuhl für Architekturgeschichte und kuratorische Praxis der TU München sowie durch die finanzielle Förderung der Gemeinde Bozen und der Autonomen Region Trentino-Südtirol.
Related people: Roberto Gigliotti, Andrea Di Michele, Gianluca Camillini, Waltraud Kofler, Elisabetta Rattalino, Gaia Piccarolo