Ein neues Mahnmal in Erinnerung an die „Weiße Rose“
Am 22. Februar 1943 wurden die Geschwister Hans und Sophie Scholl wegen ihrer Beteiligung an den Protesten der Weißen Rose zum Tode verurteilt und hingerichtet. Die Weiße Rose war eine Widerstandsgruppe, die an der Universität München entstand und in den Monaten zuvor Flugblätter gegen den Nationalsozialismus in mehreren deutschen Städten verteilt hatte. Um die Aktualität der Werte dieser deutschen Widerstandsbewegung zu unterstreichen, beauftragte die Stadt Bozen eine Gruppe von Studierenden der Fakultät für Design und Künste der Freien Universität Bozen mit der Ausarbeitung eines Entwurfs für ein neues Mahnmal in Erinnerung an die Weiße Rose. Unter der Leitung der Künstlerin Matilde Cassani begann im September 2022 ein sechsmonatiger Workshop, der am 22. Februar 2023, dem achtzigsten Jahrestag des Prozesses gegen die Weiße Rose, in einer Veranstaltung mit öffentlichen Vorträgen seinen Höhepunkt fand.
Das Ergebnis dieses Workshops führte zu dem Projekt „Stage of Light“ das am 26. Oktober auf dem Universitätsplatz vor dem Hauptgebäude der Freien Universität Bozen eingeweiht wurde.
Für die Mitglieder der Weißen Rose war die Münchner Universität, auf deren Treppen sie ihre Flugblätter verteilten, die Hochburg ihres Widerstands. Dafür wurden sie schließlich vom Naziregime hingerichtet. Beim Lesen ihrer Flugblätter wird die dramatische Diskrepanz zwischen ihrer Botschaft und ihrer Strafe deutlich: Sie setzten sich für Freiheit ein und bezahlten dafür mit dem höchsten Preis – ihrem Leben. Angesichts der Geschichte war es naheliegend, direkt vor einer Universität an den Widerstandsgeist der Mitglieder der Weißen Rose zu erinnern und ihr Andenken mit einem zeitgemäßen Mahnmal zu würdigen.
Voraussetzung für die Umsetzung dieses Vorhabens war die Auseinandersetzung unserer jungen Designerinnen und Designer mit der Rolle des Mahnmals in der heutigen Gesellschaft, mit der Notwendigkeit des Erinnerns und wie dieses Erinnern aussehen kann. Aus diesen Überlegungen entstand „Stage of Light“ das zeigt, wie Kunst als Anstoß zu einer kritischen Auseinandersetzung dienen kann, um die Öffentlichkeit zum Nachdenken anzuregen. Gleichzeitig verdeutlicht das Projekt, dass Erinnerung im öffentlichen Raum nicht zwingend auffallende Aktionen und Dimensionen erfordert: Ein in den Boden eingelassener Bildschirm reicht aus, um einen Dialog mit der Bevölkerung anzustoßen und zu zeigen, dass die Ideale der Weißen Rose auch heute noch von Bedeutung sind.
Das Mahnmal zur Würdigung der Weißen Rose wurde maßgeblich von Bürgermeister Renzo Caramaschi angestoßen, einem profunden Kenner der Geschichte des 20. Jahrhunderts. Mit diesem Projekt möchte er dazu ermutigen, wachsam zu bleiben, um weiterhin in Frieden und Demokratie leben zu können.
Der begehbare Bildschirm „Stage of Light“ ist eine Medienfläche, die der Studierendengemeinschaft von der Stadt Bozen und der Freien Universität Bozen zur Verfügung gestellt wird. Die Studierenden sind verantwortlich für die Inhalte, die auf dem Bildschirm gezeigt werden. Ziel des Projekts ist es, die Werte der Weißen Rose, deren Mitglieder während der Nazidiktatur ihr Leben im Namen der Meinungsfreiheit opferten, in die Gegenwart zu bringen. Der Inhalt von „Stage of Light“ wird auch durch thematische Beiträge bereichert, die im Rahmen eines jährlich ausgeschriebenen Wettbewerbs gesammelt werden. Diese Beiträge fließen sowohl in den Bildschirm als auch in die Zeitschrift „Syntax“ ein, die Teil des Projekts ist und jedes Jahr am 22. Februar, dem Gedenktag der Weißen Rose, erscheinen wird.
Im Mittelpunkt von „Stage of Light“ und „Syntax“ stehen die Prinzipien der Meinungs- und Redefreiheit, der politischen Partizipation und des Engagements von Andersdenkenden. „Stage of Light“ und „Syntax“ stellen sich entschieden gegen jede Form von Diskriminierung, Diffamierung, Hetze, Unterdrückung und Gewalt. Mit „Stage of Light“ und „Syntax“ eröffnen die Studierenden der Freien Universität Bozen einen offenen Dialog im öffentlichen Raum der Stadt Bozen.