Violent Images – Wahrnehmung und Wirkung visueller Gewalt
By Rosmarie Hagleitner

Bilder, die Gewalt darstellen, sind allgegenwärtig. Sie begegnen uns in Nachrichten, Werbung und sozialen Medien – und beeinflussen, oft unbewusst, unsere Wahrnehmung der Welt. Die Ausstellung Violent Images, die im Rahmen der Bolzano Art Weeks im Foto Forum zu sehen ist, lädt dazu ein, genauer hinzuschauen: auf subtilere, weniger offensichtliche Formen visueller Gewalt und auf kulturelle, soziale und politische Wirkung, die sie entfalten. „Es ist wichtig, dass wir uns als Gesellschaft darüber unterhalten, wie wir Gewalt repräsentieren und wahrnehmen“, betont Prof.in Eva Leitolf, Leiterin des Studio Image. „Denn Bilder wirken nicht nur durch das, was sie zeigen, sondern auch durch den Kontext und die Art und Weise, wie sie genutzt und verbreitet werden.“ Die Künstler:innen der Ausstellung verzichten in ihren Arbeiten bewusst auf explizite Gewaltdarstellungen. Ihre Werke bilden auf unterschiedliche Weise als Gegenbilder und lassen bewusst Lücken in visuellen Erzählungen entstehen. Damit unterbrechen sie die oft angenommene Neutralität des Sehens und eröffnen einen Raum zum Nachdenken, für Zweifel und die Verantwortung des Blickes.
Violent Images ist die dritte Ausgabe der Ausstellungsserie JOINTS, die aufstrebende Künstler:innen der unibz mit etablierten Persönlichkeiten der Kunstwelt zusammenbringt. Entstanden in Kooperation zwischen dem Studio Image der Fakultät für Design und Künste und dem Foto Forum, zielt die Reihe darauf ab, unterschiedliche Perspektiven zu gesellschaftlich relevanten Themen zu vereinen. Sie schafft einen Raum für kreativen Austausch, der neue Perspektiven eröffnet und gibt den jungen Kunstschaffenden die Möglichkeit, sich in Ausstellungen wie dieser sichtbar zu positionieren. In der von Prof.in Eva Leitolf und Giulia Cordin kuratierten Ausgabe präsentieren drei junge Künstlerinnen der unibz – die Absolventinnen Viola Silvi und Sophia Rabbiosi sowie die Studentin Letizia Nicolini – Arbeiten, die das Verhältnis von Bild, Gewalt und Gesellschaft auf unterschiedliche Weise reflektieren. Ergänzt wird die Schau durch Arbeiten des internationalen Duos Broomberg & Chanarin sowie von Eva Leitolf selbst.
Chopped Liver Press, von Adam Broomberg und Oliver Chanarin gegründet, veröffentlicht limitierte Editionen von Büchern und Postern. Violent Images zeigt eine kuratierte Auswahl von Postern aus verschiedenen Serien des Künstlerduos, bei denen sie Seiten der New York Times mit eigenen Zitaten von Hand bedruckt haben. Durch die Gegenüberstellung zeitloser Zitate und flüchtiger Schlagzeilen entsteht ein eindrücklicher Dialog zwischen Idealen und gesellschaftlicher Realität.
Eva Leitolf zeigt in Postcards from Europe Bilder von Orten an den EU-Außengrenzen und verbindet sie mit sorgfältig recherchierten Texten. Die Künstlerin rückt dabei nicht das Leid der Migrant:innen – das bereits umfassend dokumentiert wurde – in den Mittelpunkt, sondern den Umgang der EU mit diesem Leid, die politischen Strategien, die Verwaltungsbarrieren und die Verschärfung der Kontrollen der EU-Außengrenzen, ohne Betroffene zu instrumentalisieren.
In Unmarked zeigt Letizia Nicolini ein Video aus KI-generierten Bildern mit Audiodeskription, das in Endlosschleife abgespielt wird. Grundlage sind Screenshots vom Instagram-Profil des amtierenden US-Präsidenten, die Nicolini als KI-generiert identifiziert und gezielt gesammelt hat. Auffällig ist, dass diese Bilder von offizieller Seite nicht als solche gekennzeichnet wurden.
Sophia Rabbiosi untersucht in Immagini di repertorio, was passiert, wenn ein einzelnes Stockfoto in verschiedenen Nachrichtenkanälen verwendet wird. Durch das ständige Drucken, Scannen und Weiterverbreiten verschwinden Motiv und Botschaft des Bildes fast vollständig: es wurde „verbraucht“.

Viola Silvi transformiert in Crossing These Times zehn aktuelle Nachrichtenmeldungen in Kreuzsticharbeiten, deren langsame, unvollständige Umsetzung die Überforderung der medialen Wahrnehmung symbolisiert. Die meditative Tätigkeit des Stickens wird sozur stillen Strategie, um mit dem stetigen Strom an Nachrichten, emotionaler Belastung und offenen Fragen umzugehen.
Begleitend zur Ausstellung wird am 28. Oktober 2025 das Buch Violent Images - Negotiating Images, Volume 3 vorgestellt. Anders als ein klassischer Katalog versteht es sich als eigenständiges Diskursmedium. Auf den ersten Blick wirkt es wie ein reines Textbuch mit einer Vielzahl unterschiedlicher, aber doch miteinander verbundener akademischer Beiträge, die sich mit der Repräsentation von Gewalt auseinandersetzen. Doch hinter jeder Doppelseite verbergen sich sorgfältig kuratierte Bilder – Arbeiten international renommierter Künstler:innen sowie Aufnahmen aus Werbung, Journalismus und vielen anderen Bereichen, in denen Fotografie eine Rolle spielt. Die Leser:innen können selbst entscheiden, wann sie die versteckten Buchseiten öffnen und sich auch visuell mit dem Thema auseinandersetzen möchten. Dadurch kann ein bewussterer und verantwortungsvollerer Umgang mit Gewalt in Bildern entstehen. Das Buch ergänzt die Ausstellung, ohne sie zu dokumentieren – vielmehr eröffnet es einen weiteren diskursiven Raum, in dem Denken und Sehen miteinander in Dialog treten.
Die Ausstellung Violent Images ist vom 7. Oktober bis zum 8. November im Foto Forum in Bozen zu sehen. Der Book Launch findet am 28. Oktober 2025 um 18:00 Uhr ebenfalls dort statt.
Related people: Eva Leitolf, Giulia Cordin