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Free University of Bozen-Bolzano

Design Students Society

Design-Studentin bei Tag, Krampus bei Nacht

Wenn es dunkel wird, verwandelt sich Miriam Pardeller von einer Design-Studentin in einen furchteinflößenden Krampus.

By Rosmarie Hagleitner

ein Mann und eine Frau in Krampuskleidung bei einem Umzug, aber ohne Maske - die halten sie in der Hand
Design-Studentin Miriam Pardeller, die als Krampus alte Rollenbilder auf den Kopf stellt. Foto: LIVE-STYLE Agency

Die 27-jährige Miriam Pardeller aus Welschnofen führt in den Wintermonaten ein ungewöhnliches Doppelleben: Tagsüber arbeitet sie als Designerin und absolviert ein Masterstudium in Eco-Social Design an der Fakultät für Design und Künste. Nachts hingegen schlüpft sie in eine furchterregende Holzmaske mit Steinbockhörnern, Fell und Krallen. Zu guter Letzt schnallt sie sich noch eine mehrere Kilo schwere Glocke um, deren Klang bei den traditionellen Krampusumzügen durch die Dörfer Südtirols hallt.

Schon als kleines Mädchen übte der Krampus eine besondere Anziehungskraft auf Miriam aus. Mit sechs oder sieben Jahren durfte sie als „Engele“ den Nikolaus begleiten und hatte so ihren ersten Kontakt mit dem Krampus. Doch statt Angst vor ihm zu haben, fühlte sie sich zu ihm hingezogen. Sie streichelte ihm vorsichtig über Maske und Fell und war von seinem Aussehen, seinen Bewegungen und seiner Präsenz fasziniert. Aus dieser kindlichen Bewunderung entwickelte sich immer stärker der Wunsch, selbst in diese faszinierende Welt der Krampusse und der Verwandlung einzutauchen.

Miriam Pardella als furchteinflößender Krampus. Foto: LIVE-STYLE Agency

Während ihres Bachelorstudiums an der Fakultät für Design kam sie erneut mit dem Krampus in Kontakt. Für ihr allererstes Projekt an der unibz – ein Buch über den Krampus – fotografierte sie die beeindruckenden Masken und dokumentierte die verschiedenen Charaktere dieser düsteren Gestalten. Dabei wurde ihre Begeisterung für diese traditionelle Figur und Kultur neu entfacht. Als sie in ihrem Heimatort gefragt wurde, ob sie bei den Krampusumzügen beim Glühweinverkauf helfen würde, antwortete sie selbstbewusst: „Nein, ich möchte ein Krampus sein.“ Miriams fixe Idee, in die Rolle eines Krampusses zu schlüpfen und – trotz des viele Kilo schweren Kostüms – aktiv an den Umzügen teilzunehmen, wurde anfangs von allen Seiten belächelt. Doch 2022 setzte sie ihren Plan um und wurde Teil der „Schuffatuifl“ in Welschnofen. Mit ihrer Rolle als Krampus bricht Miriam nicht nur mit den Erwartungen ihres Umfelds, sondern auch mit traditionellen Geschlechterbildern. „In meiner Gruppe bin ich noch die einzige Frau, die eine männliche Maske trägt. Aber ich hoffe sehr, dass wir bald mehr werden“, erklärt sie.

Miriam beschreibt sich selbst als eher schüchtern und zurückhaltend, als eine Frau, die nicht so gerne auf der Bühne oder in der ersten Reihe steht. „Aber sobald ich die Maske aufsetze und in meine Rolle als Krampus schlüpfe, bin ich ein anderer Mensch. Ich bewege mich anders, werde energischer. Niemand, der mich kennt, würde mich mit dieser Rolle in Verbindung bringen, die mich so sehr fasziniert und so etwas anders verkörpert. Ich empfinde diese Verwandlung in gewisser Weise als eine Transformation“, erklärt sie.

Bei den Krampusumzügen geht es darum, die Menschen mit ihren furchteinflößenden Masken, den schweren Kostümen und der unheimlichen Präsenz in den Bann zu ziehen, sie zu erschrecken und ihnen eine Gänsehaut zu verpassen – ohne dabei Grenzen zu überschreiten. Es ist in gewisser Weise ein Spiel mit der Angst, das Spannung und Tradition vereint. Und: Mit jedem Auftritt als Krampus beweist Miriam Pardeller, dass Rollenbilder flexibel sind – und dass die Freiheit, sie zu hinterfragen, vielleicht die größte Stärke ist.