Zugang zum Medizinstudium: die Studie der unibz
Von Redaktion

Vor dem Hintergrund der Diskussionen um die neuen Zulassungsregeln für ein Medizinstudium in Italien, beleuchtet eine neue Studie die Qualität der angehendenden Mediziner:innen nach dem alten Auswahlsystem. In der als Working Paper des IZA ((Institute of Labor Economics) veröffentlichten Arbeit belegen die unibz-Professoren Mirco Tonin und Alessandro Fedele gemeinsam mit Prof. Daniel Wiesen von der Universität Köln, dass mit der bisherigen Auswahl durch Aufnahmetests junge Menschen angezogen wurden, die nicht nur über hohe kognitive Fähigkeiten, sondern auch über eine starke intrinsische Motivation, Altruismus und emotionale Stabilität verfügten – grundlegende Eigenschaften für alle, die diesen verantwortungsvollen Beruf ergreifen wollen.
Der Hintergrund: eine tiefgreifende Reform
2025 hat Italien eine Reform im Zugang zum Medizinstudium eingeleitet: mit einem Abschied vom einheitlichen Zulassungstest und der Einführung eines „Probesemesters” für alle. Das Ziel ist klar. Es gilt, die Zahl der Gesundheitsfachkräfte zu erhöhen, um dem chronischen Mangel in diesem Bereich entgegenzuwirken. So einig sich alle darüber sind, so lebhaft wird auch die Frage diskutiert, ob die Reform das durchschnittliche Leistungsniveau der Bewerber:innen senkt. Mit der Studie wird ein Beitrag zur Bewertung dieses Risikos geleistet, indem die Profile von jungen Menschen analysiert wurden, die sich vor der Reform für eine medizinische Laufbahn entschieden haben.
Anhand eines Vergleichs zwischen 369 angehenden Medizinerinnen und Medizinern und 647 Gleichaltrigen, die sich in Italien und Österreich für andere Berufe interessieren, haben die Forscher ein Profil der Kandidat:innen erstellt, die eine Arztkarriere anstreben. Das Ergebnis ist eindeutig: Angehende Ärztinnen und Ärzte sind kognitiv leistungsfähiger, altruistischer und gewissenhafter. Nicht nur das: Sie sind auch stärker von sozialen Idealen motiviert und stammen häufiger aus Familien, in denen mindestens ein Mitglied diesen Beruf ausübt.

Das System funktionierte – doch nicht für alle
Laut der Studie gelang es dem bisherigen Auswahlsystem – das auf einem standardisierten Multiple-Choice-Test basierte – Bewerber:innen mit einem Profil anzuziehen, das für ein Medizinstudium und den späteren Beruf geeignet war. „Unsere Studie zeigt, dass das bisherige Auswahlverfahren einen positiven Selbstauswahlprozess begünstigte: Es wurden Studierende mit hohen kognitiven Fähigkeiten aufgenommen, die aber auch von innerer Motivation und einem Sinn für Gemeinwohl getrieben waren. Es ist wichtig, diesen Mechanismus nicht als selbstverständlich hinzunehmen”, betont Alessandro Fedele, Mitautor der Studie und Professor für Wirtschaftspolitik an der Freien Universität Bozen.
Wie die Autoren jedoch anmerken, könnte der Test junge Menschen abschrecken, die potenziell für den Beruf geeignet wären, aber weniger Erfahrung mit standardisierten Tests oder mit starkem Stress haben, sowie tendenziell all jene benachteiligen, die keinen unterstützenden familiären Hintergrund haben. In diesem Sinne könnte die neue Reform eine größere soziale Mobilität und eine fundiertere Auswahl begünstigen.
„Eine Erweiterung des Zugangs kann sich positiv auf die Chancengleichheit auswirken”, kommentiert Mirco Tonin, Mitautor der Studie und Professor für Wirtschaftspolitik an der unibz. „Wenn damit jedoch die Botschaft vermittelt wird, dass das Medizinstudium einfacher geworden ist, besteht die Gefahr, dass weniger gut vorbereitete oder motivierte Bewerber:innen angezogen werden. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation in den nächsten Jahren entwickeln wird.“
Auswirkungen für die Zukunft
Die Studie legt nahe, dass Italien es sich nicht leisten kann, auf ein Auswahlverfahren zu verzichten, das Kompetenzen, Motivation und Belastbarkeit belohnt. Das alte System konnte dies garantieren; nun besteht die Herausforderung darin, herauszufinden, ob das neue Modell ebenso gut funktioniert – oder vielleicht sogar für mehr Gerechtigkeit sorgt.
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