Der Geschichtenerzähler
Von Susanne Pitro

Vor neun Jahren verließ er die unibz als Jahrgangsbester seines Studiengangs Wirtschaftswissenschaften und Betriebsführung. Heute ist Tristan Post ein auch über Deutschland hinaus gefragter Experte für KI-Strategie und Unternehmensführung und beliebter Lehrbeauftragter und Vortragender in diesem boomenden Bereich. Eine Karriereentwicklung, die nach seinem Wirtschaftsstudium keineswegs absehbar war. Trotz seiner insgesamt drei Auslandssemester in Turin, Lugano und Taiwan war der Deutsche während seiner Studienjahre auch am Campus Bozen nicht zuletzt als Studierendenvertreter im Universitätsrat aufgefallen. Der Künstlichen Intelligenz wurde damals aber weder in der breiten Öffentlichkeit noch an seiner Fakultät große Aufmerksamkeit geschenkt.
Das sollte sich auch für Tristan Post erst ändern, als er – dank seines Cum-Laude-Abschlusses – die Möglichkeit erhielt, seinen Master an der renommierten London School of Economics zu machen. Neben seinem Studium stand er dort bald selbst als Teaching Fellow vor Studierenden. Die Motivation, selbst zu unterrichten, war ursprünglich aus einem Frust geboren. „Egal, an welcher Universität ich war: Ich bin immer wieder auf Professor:innen gestoßen, die mehr oder weniger aus dem Lehrbuch vorgelesen haben, was ich als wenig inspirierend empfand“, erzählt er. Damit wurde aber auch eine der großen Triebfedern in seinem Leben in Schwingung versetzt: „Ich war schon immer jemand, der versucht hat, Dinge, die mich stören, besser zu machen. Sprich: mich nicht nur zu beschweren, sondern auch zu zeigen, wie es besser geht.“
"Ich will mir selbst treu bleiben, und deshalb bin ich proaktiv an die Sache rangegangen und habe mir sozusagen mein eigenes Glück geschaffen."
Tatsächlich entdeckt Tristan Post sehr schnell, dass ihm die Lehre liegt. In der Vorbereitung für seinen Lieblingskurs Ökonometrie stößt er immer wieder auf den Begriff „Maschinelles Lernen“ – und der Funke springt über. Der Ökonom entbrennt für das Thema Künstliche Intelligenz, das – nicht nur damals – vor allem als Hoheitsgebiet von Tech-Spezialisten gesehen wird. „Mir war schnell klar, dass KI ein Riesenthema werden wird und ich mich auf diesen Bereich spezialisieren will. Auch weil schon damals absehbar war, dass es vor allem im strategischen und Managementbereich zu großen Herausforderungen führen wird.“
Eine Einsicht, die Post auch von einem ursprünglich angedachten PhD abbringt. Vielmehr will er so schnell wie möglich Erfahrung in der Praxis sammeln. Klarerweise im Bereich KI, was im Jahr 2019 noch nicht ganz einfach war. Post heuert als Business Developer bei einem Münchner Start-up an, das KI-Anwendungen im Bereich Radiologie entwickelt, und wechselt dann zur damals größten Initiative zur Anwendung von Künstlicher Intelligenz in Deutschland. Bei einem Vortrag über KI in Heilbronn lernt er die Campus Founders kennen, hinter denen die Schwarz-Stiftung des Lidl- und Kaufhof-Eigentümers Dieter Schwarz steht. Von ihnen wird er abgeworben, um für sie einen Startup Inkubator für KI aufzubauen.
Nebenbei gründet Tristan Post, der auch Yogalehrer ist, ein eigenes Start-up im Bereich Yogaartikel, das er drei Jahre später verkauft, und hegt weiterhin die Passion des Unterrichten. Er pitcht für die TU München eine Lehrveranstaltung, die sich – damals neu – mit nicht-technischen Aspekten von KI befasst. Post bringt darin seine bisherigen Erfahrungen bei Unternehmen und im öffentlichen Bereich ein.
"Wenn meine Vorlesung nicht spannend genug ist, sind die Leute eben hinter dem Smartphone."
Wie kann KI ganzheitlich in einem Unternehmen implementiert werden, welche Weichen müssen dafür gestellt werden, wie können Use Cases entlang der eigenen Wertschöpfungskette identifiziert werden? Fragen wie diese diskutiert er mit seinen Studierenden, bringt Best-Practices und spickt die Lehrveranstaltungen zusätzlich mit der Einladung von Top-Speakern. „Im ersten Jahr belegten 40 Studierende den Kurs, im zweiten waren es über 1000.“ Das Geheimnis hinter diesem Erfolg. „Ich bin ein Geschichtenerzähler, ich kann gut Geschichten erzählen und brenne für das, worüber ich spreche“, sagt Tristan. „Außerdem stehe ich in Konkurrenz mit dem Smartphone: Wenn meine Vorlesung nicht spannend genug ist, sind die Leute eben hinter dem Smartphone.“
Seit September 2024 ist der „AI Strategist“, wie sich Post selbst definiert, auch Gründer und CEO des AI Strategy Institutes, unter dessen Dach er seine verschiedensten Beratungstätigkeiten im Bereich KI-Strategien und Unternehmensführung zusammengeführt hat, um sie dank eines aktuell festen fünfköpfigen Teams und zahlreichen Freelancern weiter auszuweiten. Parallel dazu macht er Upskilling-Trainings für die Belegschaft von Unternehmen und öffentlichen Institutionen und wird immer stärker als Experte für Vorträge, Interviews, Podcasts und vieles mehr gesucht. Bis ins österreichische Parlament bringt ihn seine Leidenschaft; er arbeitet mit Startups und KMUs, mit DAX-Firmen und Regierungen. In Kürze wird auch Posts erstes Sachbuch erscheinen: „AI Native: Das Managementbuch für das KI-Zeitalter“.
"Ich möchte möglichst viele Menschen motivieren, aktiv in dieses Feld hineinzugehen"
„Ich habe sicher keine geradlinige Laufbahn und habe auch oft gestruggelt, nicht zuletzt wenn ich verglichen habe, was Freunde in der klassischen Beratung verdienen“, sagt Tristan Post. „Doch ich will meinen eigenen Weg gehen, mir selbst treu bleiben, und deshalb bin ich proaktiv an die Sache rangegangen und habe mir sozusagen mein eigenes Glück geschaffen.“ Das fühle sich durchaus wie eine Achterbahn an – „mal ist es total toll, dann wieder total schwierig.“
Halt und Orientierung gibt ihm auf diesem „Rollercoaster“ immer seine Mission: „Für mich ist KI eine der spannendsten Technologien, die viele Chancen birgt, aber auch viele riesengroße Herausforderungen“, sagt der KI-Stratege. „Und ich möchte möglichst vielen Menschen aufzeigen, dass es hier nicht nur um ein technisches Thema geht, und sie dazu inspirieren, aktiv in dieses Feld hineinzugehen. Denn je mehr Menschen sich mit KI auseinandersetzen und je diverser die User sind, umso wahrscheinlicher wird es, dass wir Lösungen für eine Zukunft finden, in der wir auch leben wollen.“